Montag, 05.09.2022

Noch vor dem Frühstück beginnen wir unsere sieben Sachen zu packen. Heute ziehen wir weiter. Rasch ist alles eingeräumt, WC geleert, Wassertank gefüllt (zum ersten Mal) und schon machen wir uns auf den Weg in den Norden des Landes. Trotz der etwas durchwachsenen Wetterprognose für den Durmitor-Nationalpark (max. 19 Grad und etwas bedeckt, aber trocken) entschließen wir uns dort hinzufahren. Nach ca. einer ¾-Stunde machen wir halt an einem schönen See bei einem Stellplatz, an dem wir vielleicht am Rückweg noch für die ein oder andere Übernachtung stehen bleiben könnten. Der See und der Stellplatz sind traumhaft schön. Ein streunender Hund ist Juli und Fredi aber gar nicht geheuer („Ungeheuer“ sozusagen) und so fahren wir weiter. Die Panoramastraße schlängelt sich durch eine traumhafte Landschaft, die nach jeder Kurve anders aussieht und zunehmend spektakulärer wird. Mich erinnert diese Gegend irgendwie an Mittelerde. Und plötzlich springt tatsächlich ein wild fuchtelnder Hobbit aus dem Gebüsch. Der nimmt mir dann mal eben 20 Euro ab, weil ich zu schnell gefahren bin. Die verschwinden ohne Quittung in seiner Gesäßtasche und der uniformierte Bilbo wünscht mir noch eine gute Reise. Die nächsten 20 Kilometer kann ich mir von meinen Kindern anhören, wie viel Eis wir um dieses Geld bekommen hätten. Nun gut. Ich fahre langsamer und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Am frühen Nachmittag erreichen wir dann das Kamp Kod Boce bei Zabljak und verlieben uns auf Anhieb in diesen Ort. Eine einfache Almwiese mit ein paar einfachen Hütten, die man mieten kann, eine herrliche Aussicht und kaum andere Camper. Wir stellen uns auf einen kleinen Hügel mitten in der Wiese und richten uns ein. Die Kinder spielen und toben den restlichen Tag draußen herum, erkunden die Gegend und als es langsam dunkel wird, treiben die Kälte und der Hunger die beiden zurück zu unserem rollenden Zuhause. Wir kochen uns Risotto und danach machen wir es uns bei einem Film mit Popcorn gemütlich.

Dienstag, 06.09.2022

Bitterkalt war die Nacht draußen, drinnen hatten wir es dank Standheizung „wedelewarm“. Der Himmel ist strahlend blau. Wir schmeißen uns in die Wanderklamotten und packen unsere Rucksäcke. Schon nach wenigen Minuten sind wir in einem märchenhaften Wald unterwegs. Links und rechts des Weges gedeihen unzählige Blumen und jede Menge Pilze. Nach einer guten Stunde erreichen wir den Black Lake. Am Ufer des Sees machen wir erst mal eine kurze Rast und überlegen uns, was wir als Nächstes machen möchten. Das Weiterwandern zum nächsten See (dem Schlangensee) lassen wir ob der müden Beinchen dann lieber bleiben. Wir kehren erst mal ein und essen zu Mittag. Der Grillteller (um 7,40 €) will wieder abgearbeitet werden und wir mieten ein Ruderboot, um den See zu erkunden. Fast jeden Winkel des Sees errudern wir damit. Das Loch im Rumpf und der damit verbundene Wasserstand in dieser Nussschale machen Fredi etwas nervös, Juli rudert was die Paddel hergeben und wir erreichen nach fast einer Stunde wieder das sichere Ufer. Wir entschließen uns den See noch zu umrunden und entdecken dabei ein paar schöne und idyllische Plätzchen, die zum Verweilen und Baden einladen. So ist die Entscheidung rasch getroffen, was wir morgen machen. Der Rückweg zieht sich dann. Wir haben schon viele Kilometer in den Beinen, sind müde und hungrig. Seit dem Seeufer folgt uns ein kleiner Streuner auf den Fuß. Wir werden ihn einfach nicht los. Irgendwann ist er dann verschwunden. Als wir nach fast 1,5 Stunden quer durch den Wald am Campingplatz ankommen, liegt er am Eingang, als hätte er auf uns gewartet. Unser Camper wird inzwischen im Alltagssprachgebrauch immer öfter als „Dahoam“ bezeichnet. Genau so fühlt es sich dann an, als wir ankommen. Tee für mich, Kakao für die Kids und nichts wie raus aus den Wanderschuhen. Wir genießen noch die letzten Sonnenstrahlen, ehe wir uns was kochen und die Bäuche vollschlagen. Viel braucht's heute nicht mehr und so robben wir mit letzter Kraft in die „Harpfn“.

Mittwoch, 07.09.2022

Auch heute begrüßt uns der Tag mit blauem Himmel und schon in der Früh ist es sehr angenehm warm. Heute gehen wir wieder zum schwarzen See. Dieses Mal im Gepäck: Badesachen, Picknickdecke, Jause… Inzwischen kennen wir den Weg ja und heute sind wir deutlich schneller. Der Platz, den wir am Vortag auserkoren haben, ist rasch gefunden und wir machen es uns dort gemütlich. Hier ist es wirklich herrlich. Das Wasser ist kristallklar, die Landschaft rundherum wunderschön und es sind kaum Leute zu sehen. Wir hauen uns in die Warmduscherpanier (Neoprenanzug) und genießen die ersten Schwimmzüge in diesem herrlichen See. Mutterseelenalleine in so einem Naturjuwel herumschwimmen zu können, ist wirklich traumhaft. Dann gibt’s erst mal eine kleine Jause. Dann finden wir einen recht hohen Felsen etwas weiter neben unserem Lagerplatz. Das kristallklare Wasser gibt auch Blicke in die Tiefe frei. Tief genug, also stürzen wir uns von den Klippen. Dieses Mal auch ohne Neopren. So genießen wir noch die ein oder andere Stunde dort, ehe wir den Rückweg antreten. Heut sind wir etwas früher zurück beim Elefanten und chillen noch auf der Wiese. Als plötzlich ein Gewitter ums Eck biegt, ziehen wir uns in unsere Villa zurück und machen uns was zu essen. Danach gibt’s noch einen Spieleabend. 

Donnerstag, 08.09.2022

Auf zu neuen Ufern! Wir checken aus dem Camp aus, ohne genau zu wissen, wohin die Reise als Nächstes geht. Das Durmitor-Gebirge fasziniert uns beim Entlangfahren sehr und so beschließen wir noch auf die Panoramastraße Richtung Westen zu fahren. Die Panoramastraße schlängelt sich Kurve für Kurve den Rücken des Bergmassivs entlang, keinen Zentimeter zu breit und manchmal tief in den Fels geschlagen. Das Panorama sorgt fürs Endorphin, Gegenverkehr fürs Adrenalin.

Die Kids beginnen davon zu schwärmen, wie es wohl wäre, hier zu übernachten. Immer wieder finden sie beim Vorbeifahren einen potenziellen Lagerplatz. Langsam geht’s mir auch so. Die Vorstellung, mitten in so einer traumhaften, unberührten Landschaft mit einem Camper zu übernachten, ist wohl der absolute Traum (der sich neuerdings „Vanlife“ nennt). Und hier darf man das auch noch! Irgendwann biegen wir von der befestigten Straße ab und prüfen die Geländegängigkeit unseres Elefanten. Mit Elefanten über die Berge haben es andere schließlich auch schon geschafft. Bald finden wir ein absolutes Traumplätzchen. Mitten auf einer kleinen Anhöhe liegt ein wie für uns ausgebreitetes Stücken Wiese vor uns. Wir steigen erst mal aus und können unser Glück kaum fassen. „So stell ich mir Camping vor!“, unterbricht Juli unser schweigendes Staunen. Dann gibt’s erst mal Kakao und Kuchen und ein Nickerchen ist dann auch noch drin. Das wird vom Ranger beendet, der plötzlich vor der Türe steht. Aber nicht schimpfen will er, sondern 6 Euro. 3 Euro Eintritt in den Nationalpark und nochmal 3 Euro fürs Übernachten. Das bezahl ich gern und schon ist er wieder weg. Wir genießen noch den Abend, machen was zu essen und schauen immer wieder einfach beim Fenster raus. Und dann wurde es dunkel. So richtig. Stockfinster. Panorama ausgeschaltet. Licht auch. Ab ins Bett.

Freitag, 09.09.2022

Recht romantisch find ich das, als in den frühen Morgenstunden der Regen aufs Dach prasselt. Es ist noch dunkel. Bis sich dann der ein oder andere Blitz dazugesellt. Dann ist’s kurz ziemlich hell. Und später dann ein bisschen Donnergegrummel. Und mit der nahenden Erkenntnis, dass da jetzt ein Gewitter auf uns zukommt, beginnt auch das Gedankenkarussell. Ich weiß, im Auto sind wir sicher, aber ich weiß auch, was es heißt, am Berg mitten in einem Gewitter zu stehen und diese Erfahrung würde ich meinen Kindern gerne ersparen. Should I stay or should I go now? Blitz! 21, 22, 23, 24… Krawumm! If I go, there will be trouble. Blitz! 21, 22… Krawumm! And if I stay it will be double. So come on and let me know! Und plötzlich bricht die Hölle los und wir sind mittendrin! Die Donnerschläge lassen den Boden zittern. Schnell mache ich das Auto startklar und wir verlassen fluchtartig das eben noch so lauschige Plätzchen. Die Kinder liegen noch in den Betten und ich schlängle mich den Berg hinunter. Langsam beginnt es zu dämmern und langsam hört’s auf zu donnern. Schnell beginnt sich die Angst zu legen und schnell beginnt die Erleichterung. Zurück im Tal suchen wir uns einen Platz am Straßenrand, atmen erst mal durch und gehen wieder ins Bett. Fredi findet das aber bald langweilig und so gibt’s erst mal Frühstück. Es regnet immer noch und so beschließen wir, den Durmitor-Nationalpark hinter uns zu lassen und uns auf den Weg in den Süden zu machen. Was wir aber noch „mitnehmen“ möchten, ist die Tara-Schlucht. Das ist die größte und tiefste Schlucht Europas und nachdem wir sie überquert hatten, fahren wir die ganze Schlucht hinunter, um der Tara in Richtung Podgorica zu folgen. Ein langer und kurvenreicher Weg und es regnet fortwährend. Irgendwann sind wir dann hungrig und müde. So legen wir uns nach einer Jause hin und der Sandmann holt sich die Stunden fehlenden Schlafes. Am späten Nachmittag fahren wir dann durch Podgorica und weiter in Richtung Gebirge, das vor der Küste liegt. Unser Ziel ist ein kleines Camp in der Nähe einer Tropfsteinhöhle, die ein lohnenswertes Ziel sein könnte, falls es morgen auch noch regnet. Wir biegen von der Hauptstraße ab und schon nach wenigen Metern teilt sich der Weg. Google sagt links, ein altes Schild mit der Aufschrift „Camp Oaza“ sagt rechts. Ich finde Google generell nicht vertrauenswürdig. Die Straße wird bald zum Schotterweg, durchsetzt von ein paar Betonbrocken. Bergseitig wachsen die Büsche samt Gehölz bis weit in den Weg hinein. Talseitig donnert’s ziemlich steil hinunter und der Weg ist an vielen Stellen weggebrochen. Die Kinder sagen kein Wort, in ihren Gesichtern pures Entsetzen. Viel besser werd ich wohl auch nicht ausgesehen haben. Wir haben definitiv den falschen Weg erwischt, hier ist seit Jahren kein Auto mehr gefahren. Wenden ist kein Thema, zurückschieben genauso wenig und so kämpfen wir uns nach oben in der Hoffnung „irgendwo“ anzukommen. Kommen wir aber nicht und in einer Kehre, die so schmal und eng ist, dass ich ohnedies nicht rumkomme, entscheide ich mich zu wenden. Mit dem Fahrradträger hinten am Hang und der Schnauze überm Abhang steh ich irgendwann 90 Grad zur Straße. Die Kinder halten sich die Augen zu. Vor, zurück, vor, zurück… gefühlt 50-mal und der Elefant steht wieder bergab auf der Fahrspur. Als wir wieder an der Weggabelung ankommen, steht da ein Van auf der Kreuzung. Der Fahrer sichtlich grübelnd. Und googelnd. Er vertraut der Technik und schlägt den richtigen Weg ein. Ihm fahren wir dann beruhigt hinterher. Aber auch dieser Weg hat es in sich. Der Weg ist kaum breiter als das Auto, sehr holprig, steil und ausgewaschen und die Kehren sind mit einem 6-Meter-Auto eine echte Herausforderung. Irgendwie und irgendwann kommen wir dann doch beim Camp an. Wir steigen aus und die Kinder sprechen wieder. Viel. Der Check-In ist ein einfaches Holzdach mit einem Tresen und einem netten Mädl, das uns freundlich willkommen heißt. Ich schildere kurz meine Odyssee und sie lässt mich wissen, dass man einfach den Weg da drüben (sie zeigt hinters Haus) nehmen muss. In fünf Minuten ist man dann auf der Hauptstraße. Na bum! Gratuliere. Das Camp ist sehr nett und besteht im Grunde nur aus ein paar ebenen Flächen, die man dem steilen Berghang abgerungen hat. Der Regen jagt uns aber bald wieder ins Auto und mich an den Herd. Dieser Tag hat uns einiges abverlangt. Fast mehr Abenteuer, als man aushalten mag. Oder doch nicht? Dieses Gefühl, das sich nach dem Überwinden einer schwierigen Situation breitmacht, hat schon was. Persönliches Wachstum passiert meist außerhalb der Komfortzone, und heute sind wir ganz sicher ein Stückchen größer geworden.